Besprechung zu
Manuela Jacob-Niedballa
Den schreienden Kollegen kann man nicht wegatmen.
Effektives Stressmanagement für Führungskräfte und Mitarbeiter
256 Seiten. €19,99
ISBN 978-3-527-51034-4
Wiley-VCH 2021
Am 21. Juli 2021 auf Roter-Reiter.de von Christiane Kürschner
Roter-Reiter Fazit: Keine Arbeitszeitreduzierung, kein zusätzliches Geld oder Personal: Manuela Jacob-Niedballa zeigt, wie Stressmanagement unter realen Arbeitsbedingungen funktionieren kann. Die Prinzipien sind dafür praktisch angelegt und geben interessante Einblicke in die Perspektive einer Arbeitsmedizinerin.
Führungskräfte haben die spannende Möglichkeit, Unternehmen selbstinitiativ mitzugestalten. Aber sie befinden sich zumeist auch in der ungeliebten Sandwich-Position: Die Mitarbeiter erwarten Führung, das Management fordert Zahlen – und dann noch die vielen Termine und Mails. Macht dieser ganze Stress nicht krank? In ihrem Ratgeber "Den schreienden Kollegen kann man nicht wegatmen" nimmt Arbeitsmedizinerin und Unternehmensberaterin Manuela Jacob-Niedballa eine andere Position ein: Stress ist nicht das Problem, es ist die Haltung zu ihm.
Ohnmacht statt Gestaltungsmacht
Führungskräfte sollen die Quadratur des Kreises schaffen, „sie sollen wirtschaftlich erfolgreich und innovativ sein, ihre Mitarbeiter zufriedenstellen, die Kunden zufriedenstellen, aber auch die Familie nicht vernachlässigen und sich auch noch gesund und fit halten“, zählt die Autorin auf. Was dabei zu kurz kommt, sind die dafür notwendige Zeit und der ausreichende Freiraum, um wirklich gestalten zu können – aber genau das wird von Führungskräften ebenfalls erwartet. Und nicht selten sollen sie neben den Führungsaufgaben auch noch Fachaufgaben übernehmen. Diese vielfachen Aufgabengebiete und Rollenerwartungen können zu Überforderung führen. Der eine wird cholerisch, der andere verstummt, und im schlimmsten Fall führt eine Überlastung zum Burn-out. Die Betroffenen werden ihrer Aufgabe nicht mehr Herr. "Tatsächlich ist es dieses Gefühl der Ohnmacht, das hauptsächlich dazu führt, dass Führungskräfte unter ihrem Job leiden", sagt Manuela Jacob-Niedballa, "Sie erleben sich als handlungsunfähig – und auf Dauer resignieren sie."
Stress aus einer neuen Perspektive betrachten
Und genau hier setzt die Arbeitsmedizinerin an: Manuela Jacob-Niedballa stellt Untersuchungen vor, die zeigen, dass Stress allein nicht krank macht. Demnach weisen Menschen, die überdurchschnittlich belastet sind, keine höhere Sterblichkeit auf, wenn sie dem Stress positiv entgegentreten. Ganz im Gegenteil: Wer mit einer „Ist zwar eine Herausforderung, aber ich bekomme das schon hin“-Einstellung an die Arbeit geht, der weist sogar eine geringere Sterblichkeit auf als Menschen, die gar keinen oder sehr wenig Stress haben. Und es konnten auch keine Unterschiede zwischen dem oftmals beschworenen positiven und negativen Stress gefunden werden. „So mancher Stressforscher musste daraufhin Abbitte leisten: Stress an sich ist nicht ungesund, wie vorher alle glaubten“, stellt Manuela Jacob-Niedballa fest. Nur wer ihm ohnmächtig gegenübersteht, wird wahrscheinlich damit nicht glücklich werden.
Stressmanagement fängt bei der eigenen Haltung an
Die Arbeitsmedizinerin stellt in dem Ratgeber das Oktaeder-Prinzip vor, das für sie die acht Seiten von gesunder Führung darstellt. Dabei geht es ausdrücklich nicht darum, die Arbeit zu reduzieren oder Probleme wegzuatmen. "Sie identifizieren vielmehr die Bereiche übermäßiger Belastung und erkennen, wo Sie ansetzen können, damit es allen trotz – oder wegen – der Arbeit gut geht", erklärt sie. Sind die Aufgabenbereiche im Team überhaupt klar kommuniziert und strukturiert? Sind wir organisiert? Können wir in unserer Umgebung, der Arbeitssituation etwas ändern? Werden Leistungen wertgeschätzt? Schritt für Schritt können Führungskräfte oder auch Mitarbeiter die acht Seiten der gesunden Führung kennenlernen und sich solche Fragen für die eigene Arbeitsweise beantworten. Das Oktaeder-Prinzip kann laut der Arbeitsmedizinerin auch für das betriebliche Gesundheitsmanagement und als Richtschnur für die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen angewendet werden.